Urheberrechte in der Informationsgesellschaft

Umsetzung der EU-Richtlinie vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts


Wiesbaden, 17.04.2002

„Neue Hacker-Tools auf CD: DVD rippen und auf CD brennen“, „So kopieren Sie jeden Film - Video-CDs in Top-Qualität, rippen auf Knopfdruck, Tools auf CD“, „DVDs rippen und kopieren auf Knopfdruck“, „Testsieger: S.A.D. Movie Jack 1.0 Jack rippt und brennt“
so lauten die Schlagzahlen der Computer-Zeitschriften seit mindestens 2001.
Rund 400.000 illegal erworbene Kopien von Filmen wechseln täglich weltweit über Tauschbörsen von Rechner zu Rechner und die Internetpiraterie kostet die Filmindustrie schätzungsweise 2,5 Mrd. Dollar pro Jahr.

Wenn sich dieser Trend fortsetzt und verstärkt, wird die Zahl der jährlich neu erscheinenden Filme drastisch sinken. Die Filmindustrie wird - wie jetzt bereits die Musikindustrie - mit Umsatzeinbußen bis zu 50% wichtige Refinanzierungs- möglichkeiten einbüßen und dann kaum in der Lage sein, in ausreichendem Maß in neue Filme zu investieren.

Das Vervielfältigungsrecht ist das wichtigste - das Königsrecht unter den Verwertungsrechten. Filmherstellung und Verwertung sind ein Hochrisikogeschäft. Nur wer die (Rechts-)Sicherheit hat, die Auswertung seiner Filme weitgehend kontrollieren zu können, ist auf Dauer in der Lage, dieses Risiko einzugehen. Produzenten und Verwerter beanspruchen daher einen möglichst weitgehenden Schutz ihres exklusiven Rechts auf Vervielfältigung. Sie wollen die Kontrolle darüber behalten, wann sie wem die Vervielfältigung ihrer Filme zu welchen Konditionen erlauben.

Dem steht das Interesse des Verbrauchers auf freien, ungehinderten und unentgeltlichen Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken entgegen. Ein Grundrecht oder ein aus dem Grundrecht auf freie Information abgeleitetes Recht des Bürgers auf freien Zugang zu solchen Werken besteht aber nicht. Die derzeit geltende Regelung erlaubt es dem Verbraucher lediglich, in begrenztem Umfang in das den Rechteinhabern zustehende Vervielfältigungsrecht einzugreifen und z.B. Filme zum privaten Gebrauch zu kopieren. Diese Regelung wurde zu einer Zeit geschaffen, als es ausschließlich die Möglichkeit zu analogen Kopien gab.

Während analoge Kopien jedoch das Original in qualitativer Hinsicht nicht erreichen, ermöglicht die digitale Technik Kopien, die mit dem Original absolut gleichwertig sind (und zwar auch die xte Kopie einer Kopie, sog. „Klone“). Digitale Kopien haben daher - wie die Entwicklung im Musikbereich zeigt - das Potential, die normale Auswertung des Werks zu unterlaufen bzw. zu verdrängen. Gerade die Filmindustrie, die durch eine Abfolge exklusiv geschützter Verwertungsformen gekennzeichnet ist – Kino, DVD/Video, Pay-Per-View, Pay-TV – wäre in ihrer Existenz gefährdet, wenn ein wirksamer Schutz dieser Verwertungsfolgen nicht auch rechtlich gesichert wäre.

Es gilt daher, den Umfang der zugunsten der Verbraucher zu normierenden Schrankenbestimmungen des Vervielfältigungsrechts neu zu setzen.

Wir wollen dem Verbraucher nicht die Kopie zu seinem eigenen privaten Gebrauch verbieten. Insoweit liegt es uns auch fern, den Verbraucher zu kriminalisieren.

Wir wollen aber sichergestellt sehen, dass das Gesetz - so wie es die EU- Richtlinie anordnet - Ausnahmen von und Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts nur für bestimmte Sonderfälle vorsieht, so dass die normale Verwertung von Filmen nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen der Rechteinhaber nicht ungebührlich verletzt werden.

Das Medium Film unterscheidet sich in seiner Auswertung von allen anderen urheberrechtlich relevanten Kunst-/Kulturbereichen. Der Film durchläuft in zeitlich gestaffelter Abfolge verschiedene Auswertungsstufen (Kino, Verkauf und Verleih von bespielten Bildträgern (Video, DVD), Pay-TV und Free-TV). Die ungestörte Auswertung in jeder einzelnen Verwertungsstufe ist Voraussetzung, um das berechtigte Amortisationsinteresse der Rechteinhaber zu befriedigen. Je näher sich der Film am Beginn seiner Auswertungskaskade bewegt, desto größer sind die Erlöschancen. Diese Besonderheiten des Mediums Film wollen wir berücksichtigt wissen.

Wir wollen das Gefährdungspotential, das die Möglichkeit der digitalen Kopie in sich birgt, weitgehend ausschließen. Schon jetzt wird ca. die Hälfte der sog. Privatkopien für Dritte hergestellt und an Dritte verkauft. Das wollen wir verhindern.

Wir wollen das hohe Schutzniveau, das das geistige Eigentum nach unserer Rechtsordnung genießt, beibehalten und nicht zugunsten einer Grauzone zwischen legaler Privatkopie und illegaler Raubkopie geopfert sehen.

Die SPIO und film20 nehmen zu der bevorstehenden Novellierung des Urheberrechtsgesetzes daher folgenden Standpunkt ein:

1. Auch künftig soll der Verbraucher grundsätzlich berechtigt sein, Filme - auch digital - zum eigenen privaten Gebrauch zu vervielfältigen, wenn die Rechteinhaber hierfür einen angemessenen Ausgleich erhalten.

2. Die erlaubte private Kopie setzt aber voraus, dass

- sie auf der Grundlage eines rechtmäßig hergestellten Werkexemplars oder eines rechtmäßigen Dienstes vorgenommen wurde,

- sie von natürlichen Einzelpersonen für ihren eigenen privaten Gebrauch angefertigt wird. Die Erlaubnis beinhaltet nicht das Recht zur Übertragung an Dritte bzw. zur Weitergabe der Vervielfältigungsstücke,

- sie auf den eigenen Vervielfältigungsvorrichtungen des Nutzers angefertigt wird und nicht auf technischen Einrichtungen einer anderen Person. Vervielfältigungen, die im Zusammenhang mit sog. „Peer to Peer“ oder „File Sharing“ gemacht oder erworben werden, sind keine privaten Vervielfältigungen,

- die Vervielfältigung weder mittelbar noch unmittelbar Erwerbszwecken dient.

3. Die Erlaubnis gilt jedoch nur soweit und solange der Rechteinhaber nicht durch die Anbringung eines Kopier- bzw. Zugangsschutzes von seinem Exklusivrecht Gebrauch macht, das - auch private - Kopieren zu verbieten.

Je näher sich der Film am Anfang seiner Auswertung befindet, desto stärker ist das Interesse des Rechteinhabers, zum Zwecke einer erfolgreichen Auswertung sein Exklusivrecht durchzusetzen. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn sich der Film in der Kinoauswertung befindet und wenn daran anschließend bespielte Bildträger - dies gilt in besonderer Weise für die DVD - verkauft oder verliehen werden. In diesen Fällen muss es dem Rechteinhaber uneingeschränkt möglich sein, sein Vervielfältigungsrecht durch Anbringung eines Kopier- bzw. Zugangsschutzes möglichst effektiv zu schützen. Erst wenn sich der Film am Ende seiner Auswertungskaskade befindet, dürfen die Schrankenbestimmungen zugunsten des privaten Nutzers greifen.

4. Der Kopier- bzw. Zugangsschutz ist durch Gesetz uneingeschränkt zu schützen. Der Gesetzgeber sollte sich eindeutig festlegen, auch künftig keine Regelungen zu treffen bzw. irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, die den Nutzern das Kopieren auch gegen den Willen des Rechteinhabers ermöglichen.

5. Die Filmwirtschaft will sichergestellt wissen, dass dort, wo wirksame Kopierschutzmöglichkeiten bestehen, die Verletzung des Schutzes geahndet wird. Sämtliche Geräte, die sowohl legale analoge Kopien als auch legale digitale Kopien ermöglichen, sind der Vergütungspflicht gemäß § 54 Abs. 1 UrhG zu unterwerfen. Die derzeitigen Vergütungen sind nicht angemessen. Sie sind seit 1983 unverändert geblieben. Insoweit wird auf den zweiten Bericht der Bundesregierung verwiesen, der bereits in 2000 eine Erhöhung der Vergütungssätze anregt. Damit wird ermöglicht, dass dort, wo auf Kopierschutz verzichtet wird, die legale private Kopie möglich ist und vergütet werden muss. Einen Zwang zur Anwendung technischer Maßnahmen darf es nicht geben. Gleichzeitig wird festgehalten, dass legale Kopien im Rahmen der in diesem Papier skizzierten Grenzen des § 53 UrhG gestattet sind. Dies bedeutet insbesondere, dass Kopier- bzw. Zugangsschutz nur dann keine Vergütung auslöst, wenn er

- tatsächlich angewendet wird (die bloße Möglichkeit der Anwendung reicht nicht aus) und
- wirksam ist (die bloße Anwendung irgendeines – unwirksamen – Schutzes reicht nicht aus).

Die Punkte 2) bis 5) müssen in § 53 UrhG übernommen werden.

6. Neu einzuführen hat der Gesetzgeber das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, das Urheber, Filmhersteller, Tonträgerhersteller und ausübende Künstler vor der unerlaubten Übertragung ihrer Werke/Produktionen/Darbietungen im Internet - vor allem in bezug auf On- Demand-Systeme - schützt.

Damit der Produzent auch in bezug auf seine bereits in der Vergangenheit hergestellten Filme uneingeschränkt und zweifelsfrei über das neue Verwertungsrecht verfügen kann, muss ihm dieses Recht über eine Übergangsregelung rückwirkend zugeordnet werden. Im Fall der Nutzung ist dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen.

7. Die durch die Umsetzung der EU-Richtlinie erneut erforderliche Novellierung des Urheberrechtsgesetzes sollte zum Anlass genommen werden, um endlich der berechtigten Forderung der Filmhersteller nach einer Stärkung ihrer Rechtsposition nachzukommen.

Der Gesetzgeber muss dem Produzenten - wie international üblich - die ihm vom Urheber zu übertragenden Nutzungsrechte zweifelsfrei und uneingeschränkt zuweisen. Die im geltenden Recht bereits verankerte Übertragungsvermutung (§ 89 UrhG) - Übertragungsvermutungen sind widerlegbar - muss in eine gesetzlich fingierte Abtretung (cessio legis) umgewandelt werden. Die cessio legis muss dabei - dies ist von entscheidender Bedeutung - nicht nur (wie jetzt die Übertragungsvermutung) für die traditionellen - bekannten - Nutzungsarten, sondern auch für die Übertragung der Nutzungsrechte für noch nicht bekannte Nutzungsarten gelten. Dies ist notwendig, damit der deutsche Film international wettbewerbsfähig wird und bleibt. Dazu ist erforderlich, die neuen und neu entstehenden (digitalen) Nutzungsarten für den Produzenten verwertbar zu machen.

Damit korrespondierend ist das generelle Verbot der Übertragung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten (§ 31 Abs. 4 UrhG) aufzuheben.


verfasst von: Rain Margarete Evers
ARBEITSGEMEINSCHAFT NEUER DEUTSCHER SPIELFILMPRODUZENTEN e.V.

Wiesbaden/Berlin, den 17. April 2002


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